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    28.01.2020

    Mitgliederinterviews – Herrn Prof. Dr. Thomas Stieglitz (IMTEK, Universität Freiburg)

    Mitgliederinterviews – Herrn Prof. Dr. Thomas Stieglitz (IMTEK, Universität Freiburg)
    Mitgliederinterviews – Herrn Prof. Dr. Thomas Stieglitz (IMTEK, Universität Freiburg) Klaus Polkowski
    • microTEC Südwest: Guten Tag, Herr Prof. Stieglitz, bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor.

      Prof. Stieglitz: Ich habe seit 2004 die Professur für Biomedizinische Mikrotechnik an der Technischen Fakultät im Institut für Mikrosystemtechnik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg inne. Von der Ausbildung her habe ich Elektrotechnik in Braunschweig und Karlsruhe studiert. Danach habe ich elf Jahre am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik in St. Ingbert (Saar) im Bereich der Neurotechnik gearbeitet und an der Universität des Saarlandes promoviert und habilitiert. Als microTEC Südwest gegründet wurde, war ich bereits in Freiburg und auch bei einigen Sitzungen in dieser Phase schon dabei. Bin ich vielleicht gar ein „Gründungsmitglied“?

      microTEC Südwest: Wie sind Sie erstmalig mit microTEC Südwest in Berührung gekommen?

      Prof. Stieglitz: Als nach einigen Jahren auch aktive Implantate in den Fokus des Verbandes gerückt sind, bin ich dann in der Fachgruppe „Intelligente Implantate“ aktiv geworden. Wann das genau war, weiß ich nicht mehr.

      microTEC Südwest: Könnten Sie nun bitte auch Ihr Institut vorstellen? Was machen Sie, wer sind Ihre „Kunden“?

      Prof. Stieglitz: Die Professur für Biomedizinische Mikrotechnik beschäftigt sich mit der Entwicklung von miniaturisierten Nervenschnittstellen und Implantaten. Mit dieser Neurotechnik werden Gehirn-Computer-Schnittstellen für die Steuerung von technischen Hilfsmitteln in der Rehabilitation, beispielsweise für schwerstgelähmte Menschen, entwickelt. Weiterhin haben wir schon auf dem Gebiet der Sehprothesen geforscht, entwickeln elektrische und optische „Werkzeuge“ für die Erforschung des Gehirns in den Neurowissenschaften und haben die Schnittstellen zum Nervensystem für „fühlende Prothesen“ entwickelt. Die Professur erarbeitet die technischen Grundlagen für Implantate im Bereich der Fertigungstechnik, entwickelt Aufbau- und Verbindungstechniken und untersucht die Langzeitstabilität von Materialien und Systemen. Wir sind nicht nur in den Grundlagen aktiv, sondern arbeiten auch an der Überführung von Ideen in klinische Studien. Die Firmen CorTec und neuroloop sind mit Beteiligung der Professur ausgegründet worden, um die Ergebnisse der Forschung auch in Medizinprodukte überführen zu können.

      microTEC Südwest: Das hört sich alles sehr interessant an. Welche Aktivitäten im microTEC Südwest-Netzwerk sind für Sie besonders wertvoll und warum?

      Prof. Stieglitz: microTEC Südwest als Plattform in Baden-Württemberg, als Interessenvertreter für die Mikrotechnik im Südwesten ist eine gute Einrichtung. Die Fachgruppen sind für mich besonders wertvoll, weil hier ein guter, enger und vorurteilsfreier Austausch zwischen Universitäten, Hochschulen, Forschungsinstituten und KMUs stattfindet, der allen Seiten neue Einsichten und manchmal auch neue Kooperationspartner liefert.

      microTEC Südwest: Welche Bedeutung messen Sie unseren Fachgruppen zu?

      Prof. Stieglitz: Die Fachgruppen bieten einen offenen und zugleich geschützten Raum für den Austausch von Ideen und zur Bildung einer Gemeinschaft für fachbezogenen Themen. Sie stärken nicht nur Bewusstseinsbildung, sondern bringen auch Partner zusammen, die sich vielleicht sonst nicht gefunden hätten.

      microTEC Südwest: Was würden Sie sich noch wünschen von microTEC Südwest?

      Prof. Stieglitz: Es wäre schön, wenn sich microTEC Südwest mit all seinen Firmen und Instituten sichtbarer in gesellschaftspolitische Debatten einschalten könnte. Technik ist – gerade in BW - ein Teil des wirtschaftlichen aber auch des gesellschaftlichen Lebens. Daher sollten und könnten die Akteure auch zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung beziehen. Das könnte auch als pro und contra zu einzelnen Themen sein. Themen gäbe es genug, sei es autonomes Fahren, KI allgemein, die digitale Krankenakte oder die Frage, warum jeder ein Handy hat, aber keiner Elektrotechnik mehr studieren möchte.

      microTEC Südwest: Nun noch ein paar Fragen zu Ihnen als Person. Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet/Ihrem Aufgabenspektrum am IMTEK?

      Prof. Stieglitz: Als Professor im Bereich der Medizintechnik am IMTEK gibt es viele Dinge, die mich immer wieder aufs Neue begeistern und faszinieren. Als Hochschullehrer ist es für mich stets eine Freude zu sehen, wie sich Studierende im Laufe ihres Studiums entwickeln und zu selbstbewussten jungen Menschen heranreifen, die für ihre Sache brennen und einstehen.

      Als Forscher fasziniert es mich regelmäßig, technische Lösungen zu entwickeln, die helfen können Krankheiten besser zu diagnostizieren und zu behandeln. Die Neurotechnik ist international in einer sehr lebendigen Phase, es bewegt sich viel und „made in Germany“ ist im Bereich der Mikroimplantate gar nicht schlecht aufgestellt.

      microTEC Südwest: Wo in Freiburg halten Sie sich am liebsten auf?

      Prof. Stieglitz: Der Flückigersee im Westen in der blauen Stunde und bei Sonnenuntergang ist mein absoluter Lieblingsort.

      microTEC Südwest: Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick in die Zukunft wagen. Was denken Sie, wird sich, sagen wir in 50 Jahren, bemerkenswert geändert haben? Haben Sie eine Vision?

      Prof. Stieglitz: Blicke in die Glaskugel sind immer schwierig, da sich die kommenden Generationen meist nur daran erinnern, wenn jemand falsch geraten hat wie bei der Anzahl der Autos (für die es nicht genügend Chauffeure geben würde) und der Anzahl der Personal Computer …

      Ich möchte lieber eine Utopie vorstellen als eine Vision. Mein Wunsch wäre es, dass wir in 50 Jahren die digitale Revolution oder Transformation durchlaufen haben und es eine neue Arbeitsorganisation gibt, in der die einzelnen Tätigkeiten nach Wichtigkeit für die Gesellschaft entlohnt werden. Hand- und Kopfarbeit werden als gleichwertig angesehen, da die künstliche Intelligenz viele Arbeiten von heute übernommen hat. Pflege von Natur, Zuwendung zu und Ausbildung von Menschen hat den gleichen Stellenwert wie Entwicklung von Autos oder Beratertätigkeiten heute haben.

      Mir ist schon klar, dass diese Vorstellung viel Kopfschütteln auszulösen vermag, wenn wir aber die Lebensweise von heute vor 100 Jahren vorgestellt hätten, hätte das keine andere Reaktion hervorgerufen.

      microTEC Südwest: Welche Zukunftsthemen werden in diesem Jahr Ihrer Meinung nach besonderes Gewicht haben?

      Prof. Stieglitz: Die Klimaveränderung und die E-Mobilität werden dieses Jahr gemeinsam mit Künstlicher Intelligenz weiterhin im Vordergrund stehen. Ich wünsche mir hier zum einen, dass die Fachleute sich klar und deutlich zu Wort melden, da oft der Sachverstand in den Diskussionen in den Hintergrund tritt. Wir sollten beispielsweise nicht vergessen, dass die Künstliche Intelligenz auch „Augen und Ohren“ benötigt, mit denen Signale aufgenommen werden müssen, bevor diese bewertet werden können. Dazu gehört dann auch Kommunikationstalent und eine gewisse Sturheit, diese Aspekte mit in den Ring zu werfen. Da sehe ich auch eine Stärke des deutschen Mittelstandes, in dem es beispielsweise viele Spezialisten für Sensorik gibt.

      mircoTEC Südwest: Möchten Sie unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?

      Prof. Stieglitz: Wenn Sie etwas gut gefunden haben, dann reden Sie bitte darüber.

      microTEC Südwest: Herzlichen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben, um unserer Fragen zu beantworten. Wir wünschen Ihnen eine gute Zeit und viel Erfolg.