Mikrosystemtechnik als Triebfeder für die Quantensensorik
Quantentechnologien sind in der Lage viele Bereiche wie die Sensorik, Kommunikation oder auch die Simulation zu revolutionieren. In der Zukunft werden z.B. Quantencomputer Berechnungen ermöglichen, die heute überhaupt nicht oder nur mit sehr hohem Zeitaufwand durchführbar sind. Damit wird es z.B. möglich sein, komplexe Systeme wie Supraleiter oder chemische Moleküle hochgenau und mit vertretbarem Zeitbedarf zu simulieren. Im Gegensatz zu Quantencomputern sind Quantensensoren bereits heute in der Lage physikalische Messgrößen (Temperatur, Magnetfeldstärke, etc.) mit einer Genauigkeit zu messen, die mit konventionellen Sensoren nicht möglich sind. Zur skalierbaren, industriellen Herstellung von Quantensensoren ist Mikrosystemtechnik (MST) Voraussetzung, da viele Sensorkomponenten mittels mikrotechnischen Verfahren hergestellt werden.
microTEC Südwest als Mikrosystemtechnik-Netzwerk hat die große Bedeutung von Quantensensoren für die Zukunft erkannt und wird daher einen seiner Schwerpunkte auf die Weiterentwicklung der Quantensensorik legen.
Quantensensoren: Welche Grundprinzip liegt ihnen zugrunde? Welche Vorteile bieten sie?
Quantensensoren ermöglichen einen Paradigmenwechsel beim Messen unterschiedlichster physikalischer Größen. Dabei nutzen sie die Eigenschaften der Interaktion von Quantensystemen mit Ihrer Umwelt aus. Ein Quantensystem besitzt diskrete Energieniveaus und kann prinzipiell in einen definierten Zustand präpariert werden. Im einfachsten Fall handelt es sich dabei um ein Quantensystem mit nur zwei diskreten Energiezuständen, sog. Quantenbits oder kurz Qubits. Wird nun ein z.B. elektrisches oder magnetisches Feld angelegt, führt dies zu einer Verschiebung der Energieniveaus oder zu einer Änderung der Übergangsrate zwischen diesen Energieniveaus. Diese Änderung ist gemäß dem Planckschen Gesetz E=h⋅f als Änderung der Frequenz oder Rate von Photonen messbar, wodurch die Messung physikalischer Größen mit sehr hoher Präzision ermöglicht wird. Bei den derzeit beforschten Quantensensoren der 2. Generation werden die Quantensensoren gezielt in einen wohldefinierten Ausgangszustand präpariert und die Verschränkung einzelner Qubits ausgenutzt. So ermöglichen Quantensensoren der 2. Generation wie Stickstofffehlstellen in Diamant die Messung von Magnetfeldern im Bereich von Picotesla (10-12 T), wodurch z.B. die nichtinvasive Messung der muskulären Steuersignale über ihre zugehörigen Magnetfelder für intelligente Prothesen möglich wird.
Glaszelle für einen Gassensor basierend auf Rydbergzuständen (Quelle: IQST (Center for Integrated Quantum Science and Technology))
Darstellung der wechselseitigen Abhängigkeit von Quantensensorik und Mikrosystemtechnik
Die industrielle Nutzung von Quantensensoren erfordert deren skalierbare Fertigung, inkl. der notwendigen elektronischen und photonischen Peripherie. Eine wichtige Klasse von Quantensensoren, welches insbesondere in Baden-Württemberg beforscht wird, sind sog. Festkörperdefekte in Halbleitermaterialien mit großer Bandlücke wie Diamant oder Siliziumcarbid. Bei dieser Art von Quantensensoren müssen mit hoher Auflösung (wenige 10 nm) über große Bereiche einige 10 µm gezielt Defekte im Kristall erzeugt werden. Dies erfolgt im Reinraum z.B. mittels direkten Schreibens unter Verwendung von Elektronen- oder fokussierten Ionenstrahlen. Darüber hinaus erfordern die Kontrolle und das Auslesen dieser Sensoren eine elektronische und photonische Peripherie, welche nur mit Hilfe der Verfahren der Mikrosystemtechnik skalierbar und damit ausreichend kostengünstig für eine industrielle Verwertung erzielt werden kann. Dabei ist zu erwarten, dass die teilweise hohen Anforderungen der Quantensensorik zu gezielten Forschungsaktivitäten in der Mikrosystemtechnik insbesondere im Bereich der mikrohybriden optoelektronischen Aufbau- und Verbindungstechnik führen werden.
Diamant mit Stickstofffehlstellen über Mikrowellenresonator zur kohärenten Spinkontrolle (Quelle: IQST (Center for Integrated Quantum Science and Technology))
Quantensensoren als Zukunft der Detektions- und Messtechnik für verschiedenste industrielle Anwendungen
Quantensensoren sind prinzipiell in der Lage alle physikalischen Größen wie Magnetfelder, elektrische Felder, Druck oder Temperatur zu messen. Darüber hinaus besteht durch die Funktionalisierung der Sensoroberfläche die Möglichkeit chemische Größen wie den pH-Wert einer Lösung oder die Konzentration von Zielmolekülen äußerst spezifisch und hochgenau zu vermessen. Ein wichtiger Vorteil von Quantensensoren liegt dabei in der Tatsache, dass Quantensensoren prinzipbedingt oftmals kalibrationsfrei arbeiten können, da ihr Ausgangssignale, genau wie die seit 2019 neu definierten SI-Einheiten, direkt auf physikalische Konstanten wie z.B. das Plancksche Wirkungsquantum zurückgeführt werden können. Derzeit erforschte Anwendungen von Quantensensoren schließen dabei die Prozess- und Biomedizintechnik, das autonome Fahren ebenso wie Sensoren für den Lade- und Gesundheitszustand von Batterien ein.
Baden-Württemberg als Vorreiter bei der Entwicklung von Quantensensoren mit dem Zukunftscluster QSens
Die Vision des baden-württembergischen Zukunftsclusters QSens liegt darin, die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Quantentechnologien/Quantensensorik in die Wirtschaft zu transferieren. Dazu kooperieren Forschende eng mit Industrieunternehmen, um die Leistungsfähigkeit von Quantensensoren in autonomen technischen Systemen nutzbar zu machen. Abgedeckt werden Felder wie z.B. die Industrie 4.0, erneuerbare Energien sowie Medizingeräte der nächsten Generation.
Der Cluster QSens plant ein Ökosystem zu erschaffen, welches die hohe Eingangshürde für die Nutzung der Quantentechnologien deutlich reduziert. Davon können insbesondere der Mittelstand profitieren.
Im Cluster nehmen einige microTEC Südwest-Mitglieder teil. Allen voran die Universitäten Stuttgart und Ulm, die mit ihrer Forschung zu innovativen Sensoren die Grundlage des Clusters bilden. Darüber hinaus nehmen aber auch die microTEC Südwest Mitglieder IMS CHIPS, Hahn-Schickard und die Robert Bosch GmbH wichtige Rollen im Cluster wahr.
Aktuell sind 10 Projekte für die erste dreijährige Umsetzungsphase bewilligt, darunter z.B. die Projekte Quantensensoren für die biomedizinische Diagnostik (QMED), Quantensensoren für Mensch-Maschine-Schnittstellen (QHMI) und Quantensensoren für Luft- und Raumfahrtanwendungen (QSPACE). Darüber beschäftigen sich zwei QSens-Projekte gezielt mit der skalierbaren Fertigung von Quantensensoren basierend auf Festkörperdefekten in Diamant (QSCALE) und Siliziumcarbid (QVOL). Dabei setzt QSens auf den gezielten Einsatz der Mikrosystemtechnik, sowohl bei der Erzeugung der Defekte im Reinraum als auch für die mikrohybride optoelektronische Integration der Sensoren.
Interessante Links zu Quantensensorik
- https://iqst.org/initiatives/cluster-qsens.html
- https://qant.de/en/
- https://www.zaquant.uni-stuttgart.de/?__locale=de
Autoren
- Prof. Jens Anders (Universität Stuttgart)
- Roland Dörr (microTEC Südwest)