Als Mikrosystemtechnik-Netzwerk bringt microTEC Südwest wichtige Impulse in das Thema KI ein. Einerseits ist die flächendeckende KI-Anwendung eng mit der Entwicklung von Mikrosystemtechnik verknüpft, insbesonder von Mikroelektronik (Stichwort neuromorphe Hardware). Andererseits führen KI-Methoden zu innovativeren und intelligenteren, auf Mikrosystemtechnik basierenden Produkten (Stichwort intelligente Sensorik). Die wechselseitige Beziehung von KI und Mikrosystemtechnik steht im Zentrum unserer Workshops und Matchmakings.
Künstliche Intelligenz und Mikrosystemtechnik
Was sind die mikrosystemtechnischen Voraussetzungen für eine breite KI-Anwendung? Wenn Methoden der Künstlichen Intelligenz flächendeckend und branchenübergreifend in die Anwendung kommen sollen, müssen nicht nur Softwareherausforderungen erfüllt werden. Auch die Hardware muss sich wesentlich, möglicherweise sogar disruptiv, weiterentwickeln. Heutige Rechnerarchitekturen weisen einen hohen Energieverbrauch auf. Insbesondere die Steigerung der Energieeffizienz ist die wesentliche Voraussetzung für eine breite KI-Anwendung. Eine neuartige Mikroelektronik ist notwendig, um neue, innovative Rechnerarchitekturen entwickeln zu können. Die Entwicklung neuromorpher Chips bietet hier z.B. einen aussichtsreichen Ansatz.
Wie können KI-Methoden die Mikrosystemtechnik innovativer machen? Vernetzte und eingebettete Geräte steigen rasant in ihrer Zahl. Außerdem müssen sie in Echtzeit kommunizieren können. Um die Übertragung immer größerer Datenmengen beherrschen zu können, ist eine Datenverarbeitung am Gerät, also Edge Computing, zentral und Basis für z. B. intelligente Sensorik. In diesem Zuge rückt auch die KI immer näher an die Edge heran. Lokale, dezentrale Intelligenz bietet neuartige Chancen und Herausforderungen.
Hochkarätige ExpertInnen aus dem microTEC Südwest-Netzwerk sind wichtige Akteure auf beiden Seiten, darunter das Institut für Mikroelektronik Stuttgart IMS CHIPS, das Fraunhofer Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS, die Robert Bosch GmbH, die Balluff GmbH oder die SICK AG.
KI-Zirkel Südbaden
Im Rahmen der Allianz Industrie 4.0 initiiert microTEC Südwest den KI-Zirkel Südbaden. Dieses regelmäßige Format soll die KI-Kompetenz in der Region Südbaden sichtbar machen und die hohe regionale Expertise hervorheben. Der Fokus ist Vernetzung, um KI in die Anwendung zu bringen! Zentral dabei ist der Dreiklang aus Analyse des Bedarfs, Sichtbarkeit ins Land und Vernetzung der Experten-Schnittstellen.
Zur Auftaktveranstaltung gibt die SICK AG aus Waldkirch Einblicke ins Deep Learning. Von der Initiative bis zur Anwendung werden vielfältige Aspekte betrachtet. Die Averbis GmbH aus Freiburg, die als KI Champion Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde, berichtet, wie KI für Patentrecherche und Technologie-Scouting eingesetzt werden kann. In einem aktiven Workshop-Teil werden Erwartungen an das neue Format sowie Themenwünsche diskutiert.
Erfolgsbeispiele
Anwendung von Machine Learning für die Patentrecherche, Averbis GmbH & Endress+Hauser
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KI kann erfolgreich für die Patentrecherche eingesetzt werden kann. Dafür kombiniert Averbis Text Mining und Machine Learning, um Informationen aus Texten zu gewinnen und Prognosen zu erstellen. Patentrecherchen (z.B. für eine Landscape-Analyse) sind sehr zeitaufwändig und mühsam. Die Herausforderung ist die riesige Anzahl an Patenten, die gesichtet werden müssen und deren Relevanz eingeschätzt werden muss. In der Regel liefert eine Patentrecherche 80-90% irrelevante Treffer, während andererseits relevante Patente verpasst werden. Der Patent-Monitor ermöglicht die automatische Klassifizierung von Patenten und z.B. deren Einteilung in revelant/nicht-relevant. Für das Training werden nur ein paar Patente pro Kategorie benötigt und schon kann es losgehen. Ein Beispiel ist die Suche nach Patenten zu Staubsaugern. Hier findet der Monitor Begriffe wie „suction airflow“, die intuitiv nicht Teil der Suchabfrage gewesen und damit verpasst worden wären. Als Beispiel einer realen Patentrecherche dient ein Problem von Endress+Hauser. Zu einer bestimmten Spektroskopie-Methode sucht Endress+Hauser Anwendungsfelder in Patenten. Da die Anwendungsfelder bei der Suche noch nicht bekannt sind, ist dieses Beispiel besonders komplex. Nach einem Training mit 17 Patenten lieferte der Patent Monitor aus 5.000 potentiell relevanten Patenten 81 Patente mit hoher Relevanz. Mithilfe von Text Mining konnten dann schnell die tatsächlichen Anwendungsgebiete identifiziert und visualisiert werden. Eine große Hilfe für die internen Patent- und Technologieexperten.
Intelligente Sensorik für die Zustandsüberwachung, Balluff GmbH
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Sensoren für die Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) ermöglichen es, komplette Anlagen und Fertigungssysteme zu überwachen. Dadurch können Maschinenausfälle reduziert und die Anlageneffizienz erhöht werden. Geht es um eine einfache Schwellwert-Überwachung, beispielsweise einer Pumpe, sind intelligente Sensoren mit integrierter Datenvorverarbeitung ausreichend. Für tiefergehende Analysen ist die Verwendung von Künstlicher Intelligenz notwendig. Ein anschauliches Anwendungsbeispiel hierfür ist die Klassifikation von Kaffeetypen in einem Kaffeevollautomaten. Die Grundlage ist die Messung von Vibrationen durch intelligente Sensorik beim Mahlen und Brühen des Kaffees. Diese Daten werden dann vorverarbeitet und mit Hilfe eines eindimensionalen Convolutional Neural Networks (1D-CNN) klassifiziert. Durch diese Methode können nicht nur die verschiedenen Kaffeesorten wie Espresso und Milchkaffee automatisch erkannt werden. Vor allen Dingen dient die Methode der Erkennung von Anomalien. So werden etwa Fehler im Brühprozess erkannt oder auch der Wartungsbedarf vorhergesagt, was wiederum insgesamt die Anlageneffizienz erhöht. Im industriellen Umfeld ist die frühzeitige Erkennung von Abweichungen im Fertigungsprozess ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der gesamten Anlagenverfügbarkeit.
Bauelemente-Technologien für neuromorphe Netzwerke, Fraunhofer IPMS
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Anwendungen wie die Bildverarbeitung mit großen Datenmengen, das autonome Fahren, Industrie 4.0, die Medizintechnik oder die Computertomographie sind wesentliche Treiber für Edge AI* und Advanced Computing. Edge AI kommt vor allen Dingen dann zum Tragen, wenn es um große Datenmengen geht, wie sie beispielsweise durch eine Vielzahl von Sensoren bei der Objektklassifizierung für das autonome Fahren anfallen. Eine Vorab-Klassifizierung bereits am Sensor kann die zu übertragenden Datenmengen erheblich reduzieren. Klassische Rechnerarchitekturen wie die Von-Neumann-Architektur stoßen bei der Übertragungsgeschwindigkeit über das Bus-System an ihre Grenzen. Mit einer neuartigen Bauelemente-Technologie kann dieser Engpass überwunden werden.
Das Ziel sind Systeme mit einer geringen Leistungsaufnahme aber sehr hoher Rechenleistung. Zentral dabei ist die Rolle der Speicherelemente, vor allen Dingen ihre Verwendung als „Neuron“/“Synapse“. Ein Beispiel dafür sind Speicher auf der Basis von ferroelektrischen FET-Systemen (FeFET). Diese ermöglichen eine regelbare Spannungskurve und ein schnelles Schaltelement. Aus einer reinen Digitallogik wird also eher eine Analoglogik. Auf dieser Basis werden neue Rechnerkonzepte entwickelt, die hoch-effiziente Edge-Sensor-Anwendungen ermöglichen.
*Edge AI: Datenverarbeitung auf Basis von KI-Methoden direkt im Endgerät
Mikroelektronik für KI – neuromorphe Hardware, IMS Chips
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Neuromorphe Systeme übertragen die Prinzipien der biologischen Signalverarbeitung auf Hardware. Die Motivation hinter der Entwicklung neuromorpher Strukturen ist neben der großen Zahl von parallel arbeitenden Recheneinheiten, vor allen Dingen die Energieeffizienz. Die Lernfähigkeit sowie die Robustheit gegenüber Störungen und Fehlern in den Daten sind ein weiterer Vorteil. Die Bausteine „echter“ neuromorpher Hardware sind dabei an die biologische Signalverarbeitung angelehnt. Dort verarbeiten Neuronen Eingangssignale und erzeugen daraus wiederum Ausgangssignale. Eine Kopplung der Neuronen erfolgt über gewichtete Verbindungen. Wesentliche Parameter sind die Gewichte, der Schwellwert, die Aktivierungsfunktion und die Verknüpfungen zu anderen Neuronen. Technisch wurde das Prinzip in der Schwellwert-Logik aufgegriffen, die im Gegensatz zu klassischen Rechnerarchitekturen (Boolesche Logik) ein „neuronales“ Rechnen ermöglicht. Solche Schwellwertgatter werden überwiegend analog realisiert und entziehen sich dem klassischen Designflow. In den letzten Jahren sind Memristoren aufgekommen. Bei diesen winzigen Bauelementen lässt sich der Widerstand von bestimmten Materialien durch Spannungssignale ändern. Entsprechend verschaltet lassen sich Speicher und Verarbeitungsfunktion in einer Komponente realisieren. So wurden mit Memristoren bereits gepulste neuronale Netze realisiert. Durch die Art der Informationsverarbeitung sind diese Netze näher am biologischen Vorbild, als andere Netzklassen. Verschiedene neuromorphe Bauelemente und Architekturen sind bereits realisiert und erhältlich. Größe und Art der Hardware-Architektur wird dabei wesentlich von der Anwendung bestimmt: von Großsystemen für die Simulation von Milliarden von Neuronen bis hin zu kleinformatigen Edge-Anwendungen mit Sensoranbindung. Neue Ansätze wie Memristoren oder das Quantencomputing werden zukünftige neuromorphe Systeme stark beeinflussen.