microTEC Südwest: Guten Tag, Herr Prof. Bucher, bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor.
Prof. Bucher: Ich bin seit Gründung der Fachgruppe Oberflächen im Februar 2014 deren Fachgruppensprecher und Mitglied in microTEC Südwest. Von meiner Ausbildung her bin ich promovierter Diplomphysiker. In meiner Industriezeit nach der Promotion habe ich mich hauptsächlich mit Plasmabeschichtungs-Prozessen und entsprechenden Beschichtungsanlagen beschäftigt. An der Hochschule Furtwangen bin ich Professor für Oberflächentechnologien in der Medizintechnik. Weiter leite ich das Steinbeis-Transferzentrum für Oberflächen und Beschichtungstechnik.
microTEC Südwest: Wie sind Sie erstmalig mit microTEC Südwest in Berührung gekommen?
Prof. Bucher: Damals 2014 war ich noch Gruppenleiter am NMI in Reutlingen. Ich kannte microTEC Südwest zwar schon früher, war aber noch nicht so richtig aktiv in diesem Spitzencluster. Mein damaliger Chef Alfred Stett hat mich gefragt, ob ich nicht Arbeitsgruppen-Sprecher werden will.
microTEC Südwest: Könnten Sie nun bitte auch Ihr Institut vorstellen? Was machen Sie, wer profitiert von Ihrer Arbeit?
Prof. Bucher: Mein Fachgebiet, das ich als Studiendekan des Masterstudiengangs Mikromedizintechnik in die Forschung und Lehre einbringe, ist „Maßgeschneiderte Oberflächen und Materialien für Medizinprodukte“. Ich forsche hauptsächlich auf dem Gebiet Beschichtungen für miniaturisierte flexible aktive Implantate. Hier geht es insbesondere darum, biokompatible und biostabile Schichten zu entwickeln, die mechanisch biegsam sind, aber trotzdem gegen Feuchtigkeit im Prinzip genauso dicht wie ein Metallgehäuse, wie man es vom Herzschrittmacher kennt. Im Jahr 2015 habe ich das Studienzentrum Rottweil gegründet, dort ist auch meine Forschergruppe beheimatet. Von meiner Arbeit profitieren Studierende, die bei mir spannende Forschungsthemen bearbeiten können oder ihre Doktorarbeit anfertigen. Kooperationspartner und Kunden aus der Industrie sind in der Regel Firmen, die medizintechnische Produkte herstellen. Das geht von verschluckbaren elektronischen Kapseln zur Diagnose über bioaktiv beschichtete Kunststoffimplantate für die Wirbelsäule bis hin zu medizinischen Instrumenten, die eine Art Lotusbeschichtung haben. In einem anderen spannenden Projekt beschichten wir auch implantierbare Piezo-Aktoren, die für die Distraktion von Knochen eingesetzt werden. Auch der Klimawandel lässt mich nicht kalt. In einem Verbund-Projekt entwickeln wir einen Plasmaprozess zur Reinigung von Leiterplatten, der ohne klimaschädliches Gas auskommen soll.
microTEC Südwest: Welche Aktivitäten im microTEC Südwest-Netzwerk sind für Sie besonders wertvoll und warum?
Prof. Bucher: Das ich bis heute Fachgruppensprecher bin zeigt, dass mir die Fachgruppenarbeit sehr viel Spaß macht und auch für meine Tätigkeit an der Hochschule sehr gewinnbringend ist. Man ist immer am Puls der Zeit hinsichtlich Oberflächen und den dazugehörigen Technologien.
Auch die Clusterkonferenz einmal im Jahr ist eine gute Gelegenheit, sich auf hohem Niveau auszutauschen.
microTEC Südwest: Welche Bedeutung messen Sie unseren Fachgruppen zu?
Prof. Bucher: Sofern man es schafft, eine gute Mischung aus Industrie-Unternehmen und Forschungsinstituten aufrecht zu halten, ist das eine sehr gute Sache. Man kann damit einen ausgewählten Themenbereich sehr intensiv und konzentriert über einen Tag diskutieren und bearbeiten.
microTEC Südwest: Was würden Sie sich noch wünschen von microTEC Südwest?
Prof. Bucher: Ich würde mir wünschen, dass sich die Mitglieder untereinander noch stärker in gemeinsamen Forschungsprojekten engagieren.
microTEC Südwest: Nun noch ein paar Fragen zu Ihnen als Person. Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet/Ihrem Aufgabenspektrum bei der Hochschule Furtwangen?
Prof. Bucher: Ich möchte zuerst einem gängigen Klischee widersprechen. Professoren haben in der Regel nicht vormittags recht und nachmittags frei. Seit ich Professor bin, der auch Forschung betreibt, habe ich das Glück, die Dinge zu tun, die mich auch wirklich interessieren. Ich habe früher nicht so viel und so intensiv gearbeitet. Man hat die tolle Mischung aus Zusammenarbeit mit jungen Leuten und Beschäftigung mit Dingen, für die man eine Lösung sucht.
Wenn man ein paar Jahre Vorlesung gemacht hat und der Anfangsstress der Vorbereitung vorbei ist, kann das richtig viel Spaß machen.
Wenn ein Doktorand nach einem Jahr zäher Arbeit zurückmeldet, dass er jetzt was Tolles gefunden hat und es ihm wahnsinnig Spaß macht, trägt einen das wieder wochenlang weiter.
Weiter hatte ich das wahnsinnige Glück, das Studienzentrum Rottweil gründen zu dürfen. Hier konnte ich mich richtig austoben und seit 2015 sind wir sehr stark gewachsen. Sowohl hinsichtlich Geräte-Ausstattung als auch hinsichtlich Personal.
Nebenher engagiere ich mich als HFU-Vertreter noch im Netzwerk Campus Schule-Wirtschaft Rottweil. Hier starten wir gerade ein großes Projekt mit einer Halle der Phänomene und Schülerwerkstätten, das sowohl zur Berufsorientierung dienen soll, aber auch den Fachkräftemangel lindern und den Tourismus in Rottweil ankurbeln soll.
microTEC Südwest: Wo in Furtwangen, Villingen-Schwenningen und/oder Rottweil halten Sie sich am liebsten auf?
Prof. Bucher: In Furtwangen bin ich selten. In Villingen-Schwenningen gehe ich in der Pause ab und zu ins Restaurant VAU. In Rottweil gehen wir mit der Arbeitsgruppe meistens in der Mittagspause mit ein paar Kollegen zusammen essen. Da kommen in der Regel alle Restaurants in der Innenstadt dran. Ganz oft sind wir aber in der wunderhübschen Wandelbar im Neckartal - ganz in der Nachbarschaft zum Studienzentrum.
microTEC Südwest: Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick in die Zukunft wagen. Was denken Sie, wird sich, sagen wir in 50 Jahren, bemerkenswert geändert haben? Haben Sie eine Vision?
Prof. Bucher: Ich denke, dass wir da die Wende zur nachhaltigen Energieerzeugung geschafft haben. Künstliche Intelligenz wird eine sehr große Rolle spielen. Vielleicht gibt es aber auch sowas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen. Es wäre schön, wenn alle Menschen einer Gesellschaft zufrieden sind und einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen dürfen. Wenn ich mir momentan die Enttarnung von Populisten während der Corona-Krise anschaue, habe ich etwas Hoffnung, dass der Populismus dann keine große Rolle mehr spielt.
microTEC Südwest: Welche Zukunftsthemen werden in diesem Jahr Ihrer Meinung nach besonderes Gewicht haben?
Prof. Bucher: Da geht es zum einen um regenerative Energieerzeugung, aber auch um Erleichterung des täglichen Lebens durch künstliche Intelligenz. Vielleicht bekommt auch die Forschung auf dem Gebiet Impfstoffe und Medikamente einen neuen Impuls.
microTEC Südwest: Möchten Sie unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Prof. Bucher: Wer mich kennt weiß, dass mein Lebenslauf alles andere als geradlinig und karriereorientiert war. Ich habe mich immer davon leiten lassen, das zu tun, was mich wirklich im Herzen interessiert. Natürlich muss man dabei einige Durststrecken im Berufsleben durchlaufen - ich habe mich deshalb sehr intensiv mit Strategie-Lehre befasst. Man darf den Glauben an sich selbst niemals verlieren - unbedingt muss man aber offen sein für Rückmeldungen von kompetenten Beobachtern von außen. Vor allem muss man sich genügend Zeit für die Dinge nehmen, aus denen man wieder Energie schöpft. Das kann jeder nur für sich selbst entscheiden und man darf sich da nicht vom Weg abbringen lassen. Kreativität braucht Muße! Aber eine klare strategische Vision ist genauso nötig.
microTEC Südwest: Herzlichen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben, um unserer Fragen zu beantworten. Wir wünschen Ihnen eine gute Zeit und viel Erfolg.